Vom Klassenzimmer in die Kunsthalle - FSJ in Farbe

Du wirst nach dem Abitur ins Leben entlassen mit dem Versprechen, dass du jetzt "erwachsen" wirst. Ich dachte, das hieße: Klare Regeln, strenge Meetings, vielleicht ein paar E-Mails sortieren. Während andere in diesem Alter seriöse Karrierepläne schmieden oder davon träumen, in Großraumbüros mit höhenverstellbaren Schreibtischen zu arbeiten, habe ich mich für die realistischere Option entschieden: eine Kulturhalle mit Charakter, Charme und einem gewissen Maß an liebevollem Chaos.

Ich stehe neben dem Maskottchen Streusel, dem Salzdrachen. Wir haben den arm um einander gelegt und zeigen mit der anderen hand aufeinander

Streusel und Ich beim Neckarerlebnistag

Ein FSJ in der Halle 16 ist ein bisschen wie ein Crashkurs im Multitasking. Die Halle ist weniger Arbeitsplatz und mehr… Ökosystem. Ein Biotop aus Kreativität, Improvisation, Technik, Teamgeist und spontanen Aufgaben, die mit den Worten beginnen:
„Kannst du mal schnell…?“

Ich mit der Kamera in der Hand, ich fotografiere das gemeinsame Singen Rock & Pop edition

Wer fragt, was ich den ganzen Tag mache, dem antworte ich: "Ich wechsle Berufe." Mal Fotografin, mal Grafikdesignerin, mal social media managerin, mal Tontechnikerin, mein Alltag ist einfach ein rotierendes Portfolio an kreativen und technischen Aufgaben. Ich bin hier, um zu gestalten, zu dokumentieren, dafür zu sorgen, dass das Licht nicht ausgeht, der Sound passt und auch um Jugendwörter zu erklären.

Wie du dir sicher vorstellen kannst, war es anfangs gar nicht so leicht, sich die Namen von allen, die so in der Halle ein und ausgehen, zu merken. Vor allem, wenn es dann plötzlich mehrere Personen mit selbigem Namen gibt. Mittlerweile habe ich sie aber dank meiner passenden Assoziationen raus. (Liebe Grüße an Gitarren Stefan und an Zeichnen Stefan)

Im ersten Monat hatte ich mir auch bereits ein Image aufgestellt: Von “Hi ich mach hier mein FSJ”, zu “Du bist doch die aus dem Instagram Reel”, mittlerweile werde ich sogar darauf angesprochen, in der Zeitung gewesen zu sein.

Natürlich verlasse ich die Halle auch mal. Ein Rundgang durch die Stadt Sulz stand schon auf meinem Programm – sehr idyllisch. Von Ruinen bis hin zu Weihnachtsmärkten, um die Berufsschule zu finden brauch ich trotzdem noch Google Maps…

Als ich dann aber doch mal weiter weg von Sulz war - auf Seminar in Lauchheim, muss ich zugeben habe ich meine liebgewonnene Halle ganz schön vermisst. Der Geruch nach Farbe, die viel zu vielen offenen Tabs auf meinem Laptop, Kabelsalate, die bröselnde Decke, aber vor allem die Community.

Hallen Hockete: Vero und Christine stehen mit Tassen und warm gekleidet vor dem Sofa. Auf dem Sofa sitzt Stefan Wössner neben mir und ich spiele Gitarre

Hallen Hockete

Auf die Frage, was denn bisher mein Highlight in der Halle war, fällt es mir schwer zu antworten. Von fantastischen Konzerten, über unterhaltsame Gespräche, über sog. “Insider”, die sich entwickelt haben oder auch einfach das gemeinsame Kreativ werden. Du hast nirgends sonst solch eine Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, zu lernen und einfach mal zu sein.

Das erste mal die Verantwortung für einen Abend zu übernehmen war natürlich auch ein ganz bedeutender Meilenstein für mich. Die Karaoke Abende, Plauderstündchen, das gemütliche Zusammensitzen und die Regelangebote machen die Halle zu einem richtigen Wohlfühlort.

Dann gab es da auch noch eine ganz besondere Woche: Die Artist Residency mit Madonna und Carlota. Eine bunte Mischung aus kreativen Visionen, spontanen Namensfindungen für Bilder bei der Ausstellung, super Gesprächen und dem Versuch mein Spanisch ein bisschen aufzufrischen.
Es ist unglaublich inspirierend, Künstlerinnen über Tage zu begleiten und zu sehen, wie sie arbeiten. Die Residenz war bisher eine der lustigsten und eindrücklichsten Erfahrungen, die ich hier sammeln durfte. Dear carlota, dear madonna thank you for this beautiful experience (i miss you).

Kommen wir zum emotionalen Tiefpunkt. Ich bin eingebunden in das Halle 16 Kids Angebot. Die Kinder sind super, kreativ, ehrlich und direkt. Beim Kinderzirkus guckt mich eines der Kinder an, mustert mich von oben bis unten und fragt, wie alt ich denn sei. Ich entgegnete, dass es doch schätzen solle. Und was antwortet das Kind? Dreißig. Ich musste mich kurz setzen. Ich dachte, ich bin hier die jugendliche Frische, der hippe FSJler, der Gen Z. Ich habe mir daraufhin vorgenommen, mich ab jetzt beim Jonglieren weniger zu beschweren, wenn ich mich bücken muss. Spaß beiseite, ich habe die Kids echt gerne, vor allem wenn sie fragen, ob ich denn “der Fuchs geht um”, mit ihnen spielen kann.

Community tag: Vero steht am Grill mit Schürze und Zange in der Hand. Ich stehe im Hintergrund und zeige zwei Daumen nach oben und grinse.

Danke auch an unsere Grillmeisterin

Ich würde mich am liebsten bei allen Menschen, die mir meine Zeit hier so versüßen einzeln bedanken. Bei Anna für all die Sidequests, die sie durch mich auf sich nimmt, bei Vero für ihre brillanten Lebensweisheiten, bei Gitta für die wundervollen Kunstlektionen, bei Hans für seine lustigen Geschichten, bei Stefan für mein neues Gitarrenequipment, bei Christine und Martin für deren lebensfrohe Art, bei Alex für alles, was sie so stemmt, bei Cristina und Dani für die zauberhaften Snacks, bei Simone und Nick für deren Engagement um die Kids und vor allem auch für die besonderen Sprichwörter, die ich durch sie lernen durfte, bei Sylvia, Paul, Hans-Dieter, Hartmut, Katja, Gerold, Sabine, Zana, Nina, Richard, Karl-Heinz, bei sämtlichen Künstler;innen, bei dir, wer auch immer das gerade liest, und bei allen, die nicht namentlich erwähnt, aber an die trotzdem gedacht wurde.

Danke, dass ihr mich alle so herzlich aufgenommen habt und mir so viel gebt.

Ich lerne jeden Tag dazu – über Technik, über Kunst und vor allem über mich selbst.

Ich freue mich auf die nächsten Monate. Mal sehen, ob ich bis dahin vier Bälle jonglieren kann oder ob mich jemand auf 40 schätzt. (Ich werde bis dahin immer noch 18 sein!!)

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Eine Hallen-Hockete gegen die Einsamkeit