Wenn die Fassaden bröckeln - ein musikalische Lesung mit Gabriele Günther und Sandra Linsenmayer
Am 10 Oktober las die Autorin Gabriele Günther aus ihren beiden Romanen „Fassadenbrüche“ und „Fassadenbrüche - Und irgendwie geht es weiter“, immer wieder untermalt von dazu passenden Liedern und Gedichten, vorgetragen von Sandra Linsenmeyer.
Verteilt über diese zwei (Fortsetzung-)Romane wird das Schicksal von drei Ehepaaren und der alleinstehenden Katarina über den Zeitraum von zwei Jahren verfolgt.
Die Autorin erzählte nebenher auch viel über den Entstehungsprozess beider Romane und wie sie überhaupt zum Schreiben kam. Bei einer Silvesterfeier mit Freunden, hatte sie den, wenn auch unausgesprochenen, Vorsatz, ein Buch zu schreiben. Wie alle Neulinge wusste sie nicht so genau, wie man so etwas angeht. Aber trotz allem hatte sie den Mut, einfach loszulegen, und die Handlung und Charaktere auf ihrer ersten literarischen Reise nach und nach zu entwickeln.
Dementsprechend beginnt der erste Roman dann auch mit diesen guten Vorsätzen während einer - sie ahnen es bereits - Silvesterfeier, fast wia im richtigen Leben. Allerdings beginnt diesmal über die nächsten 12 Monate zunehmend ein Prozess, der die so vermeintliche heile Mittelklassewelt aller Protagonisten zunehmend durcheinanderwirbelt. Eingefahrene Rituale und sicher geglaubte Grundfeste werden in Frage gestellt, und das altvertraute Selbstverständnis, dass das Leben ein langer, ruhiger Fluss sei, geht so langsam in die Brüche.
Ihre Ausführungen zu den Romanen zeigten auch, dass man eigentlich nur über das überzeugend schreiben kann, was man selbst kennt und erlebt hat. Allerdings war ihr natürlich klar, dass man aufpassen muss, genügend Distanz zwischen Roman und Wirklichkeit zu lassen. Sonst könnte es einem wohlmöglich wie Thomas Mann mit seinen „Buddenbrooks“ gehen; Stichwort aufgebrachte Lübecker Bürger, die sich in dem Roman - vielleicht eher unvorteilhaft porträtiert - wiederfanden.
Es gibt ganz grob gesagt zwei Arten von Autoren, die „Plotters“, die alles planen, und die „Pantser“, die einfach drauf loslegen, ohne dass ihre Hosen („pants“) jemals den Kontakt mit dem Stuhl verlieren. Gabrielle Günther gehört, ihrer eigenen Aussage nach, mit Sicherheit der zweiten Kategorie an, und beweist eindrücklich, dass diese Methode erfolgreich zum Ziel führt.
Die vorgelesenen Passagen waren selbstverständlich nur kleine Appetithäppchen, um neugierig auf die Lektüre der Romane zu machen. Und wir wollen auch nicht viel über die Handlung verraten, damit den Lesern nicht der Spaß am Lesen genommen wird. Zumal viele der abendlichen Zuhörer die Möglichkeit nutzten, die Romane zu erwerben. Nur so viel sei noch gesagt, dass der zweite Roman ursprünglich gar nicht geplant war. Gabrielle Günther, wollte ganz bewusst ein offenes Ende, dass dann jeder Leser für sich weiterreimen konnte. Aber sie erhielt so viele Kommentare und Anfragen, wie es den Protagonisten weiter ergehen würde, dass sie sich schließlich entschloss, die Geschichte weiterzuspinnen, und das Ergebnis kann sich wirklich lesen lassen.
Ihr anfänglicher Entschluss, mit dem Schreiben zu beginnen, war tatsächlich der Beginn einer erfolgreichen Karriere, mit dem dritten Roman - nein keine weitere Fortsetzung der Fassadenbrüche - kurz vor seiner Erscheinung, und ein vierter bereits in Vorbereitung. Dies beweist eindrücklich, dass gute Vorsätze am Silvesterabend tatsächlich das Leben verändern können. Bleiben sie zuversichtlich.
Text: Hans-Eckhardt Hagen
Fotos: Gitta