Gitarre geht auch anders - Experimentelles Gitarrenensemble aus Portugal
Nach dem „Interstring Project“ Konzert im Juni, ging es am 16. Oktober mit dem portugiesischen Gitarrenduo aus José Teixeira und Luís Miguel Leite zum zweiten Mal in diesem Jahr wieder sehr experimentell zur Sache. Nachdem die beiden Musiker eine Ausbildung an der klassischen Gitarre in Braga, Portugal, absolvierten, wollen sie jetzt die Grenzen der Möglichkeiten, mit einer (e-)Gitarre Musik zu machen, ausloten und sprengen. Das Stück, dass sie an diesem Abend präsentierten - Post Hoc Ergo Procter Hoc - soll auf die falsche Annahme hinweisen, dass jedes Ereignis von einem vorhergehenden Geschehen kausal verursacht wurde. Wie auch in der Wissenschaft, weisen Korrelationen nicht unbedingt auf eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung hin. Deshalb ist dieses Stück auch wohl so geschrieben, dass es nie zweimal auf die gleiche Art und Weise gespielt werden kann: Es gibt keine Noten, stattdessen nur detaillierte Beschreibungen und Anleitungen, wie das Stück angelegt ist. Das ist sehr interessant, und unterstreicht den Zufallscharakter von Ereignissen.
Komponiert wurde es speziell für Luís und José von einem bekannten portugiesischen Komponisten und Gitarristen, Víctor Rua, der sehr von zwei britischen Prog-Rock-Gruppen - Gentle Giant und King Crimson - beeinflusst wurde. Dieser Einfluss klang bei genauerem Hinhören auch durchaus bei dieser Komposition durch. Die Premiere war bereits 2020, und das Duo hat das Werk 2021 aufgenommen, es ist als CD erhältlich.
Das Stück dauert 45 Minuten, und wurde von José und Luís ohne Pause auf beeindruckende Weise musikalisch umgesetzt. Mit relativ sparsamer elektronischer Ausrüstung, nur jeweils eine Fender Stratocaster und Telecaster über ein paar Effektpedale gespielt, produzierten die beiden eine erstaunliche Palette von Tönen. Und das Ganze auch noch barfuß, was bei den vorherrschenden Temperaturen an diesem Abend allein schon heroisch war. Die Musik wurde auch noch visuell mit Videos untermalt. Den Anfang machten sie allerdings mit zwei Luftballons - man kann auch mit ihnen Geräusche machen - bevor es dann mit der Gitarrenmusik so richtig losging.
Zu Beginn war die Musik fordernd, mit einer Serie von verfremdeten Klanggeweben, die zum Teil mit unkonventionellen Techniken produziert wurden. z. B. ließen die beiden Musike Murmeln über das Fretboard rollen, um Töne zu produzieren. Danach wurde es zunehmend melodischer, mit Riffs und Soli, wobei sich beide Spieler jeweils als Lead-Gitarristen abwechselten. Ganz am Schluss wurde dann auch klar, warum beide Künstler ihre Schuhe und Socken für die Dauer des Konzerts zurückgelassen hatten: Zum Finale spielten beide nämlich mit ihren nackten Füssen auf ihren Instrumenten.
Das Konzert war äußerst spannend, zum Teil sehr herausfordernd und den Rahmen der konventionellen Musik und vielleicht auch Geschmäckern sprengend. Nicht unbedingt jedermann/fraus Sache, gewiss. Allerdings muss man anmerken, dass experimentelle Kunst, die die Grenzen des Möglichen auslotet und überschreitet, auch manchmal ausgehalten werden muss. Denn nur so kann wirklich Neues entstehen, was dann über Kurz oder Lang wiederum oft genug vom Mainstream aufgegriffen wird. Ansonsten tritt die Kultur nur noch auf der Stelle, wird sklerotisch, verkommt zur kommerziellen Massenware. Ohne Pioniere und Mavericks kein Fortschritt, so ist das nun mal. Da bleibt uns nur noch zu sagen: Muito obrigado e até à próxima! (Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!)
Text: Hans-Eckhardt Hagen
Fotos: Gitta